Es ist schön, zu wissen, dass der Missionsbefehl aus Matthäus 28 nicht damit endet, zu sagen, „Gehet hin“. Die Zusage, „und ich bin bei euch, alle Tage“, ist für uns Christen essenziell. Wir können hingehen, denn wir sind nicht allein. Ohne dieses Wissen im Gepäck, hätte ich mich wahrscheinlich nicht in den Flieger für mein Praktikum im Tschad gesetzt. Gut, dass ich diesen Zuspruch an die Jünger auch für mich anwenden darf. Zwar zweifle ich daran, ob den Jüngern Jesu der Begriff Praktikum etwas gesagt hätte. Aber die Praxis war ihnen vielleicht ein stückweit bekannt – vielleicht kann man die Zweieraussendung aus Lukas 9 als eine Art Praktikum verstehen? Schauen, lernen, versuchen anzuwenden. Das mache ich seit dem 18. Mai in Abéché (Tschad). Ich schaue mir die Arbeit im Waisenhaus an. Außerdem begleite ich eine Hebamme in ihrem Alltag.
Im Waisenhaus bin ich hauptsächlich bei den verwaisten Babys, außerdem in der Betreuung der Frühchen. Von der Gesellschaft sind diese Kinder eher ungesehen und wenig wert. Das merkt man an den Geschichten, die diese Babys schon in ihrem kurzen Leben mitbringen. Beispielsweise ist ein Kind lebendig auf dem Friedhof abgelegt worden, ein anderes wurde verwahrlost auf einer Müllhalde gefunden – wie gesagt, kein wertvoller Umgang. Aber genau deswegen gehe ich so gerne zum Waisenhaus. Denn hier haben sich christliche Tschader vorgenommen, diese Kinder mit Jesu Augen zu betrachten. Sie sind unbezahlbar und wert, dass man sich um sie kümmert.
Ähnliche Erfahrungen habe ich mit Katharina gemacht (Missionsgesellschaft WEC International). Zusammen mit ihr arbeite ich in einer kleinen evangelischen Klinik. Sie ist Hebamme. Vorwiegend betreut sie Geburten oder nimmt Schwangerschaftskontrollen vor. Manche Frauen freuen sich, wenn sie bei so einer Kontrolle die Herztöne des Kindes hören. Anderen scheint es völlig egal zu sein. Mir wird bewusst, dass eine Frau nur selten ein Mitspracherecht in der Familienplanung oder generell an ihrem Schicksal hat. Häufig früh verheiratet, kümmert sie sich um die meist kinderreiche Familie. Es ist gut möglich, dass sie nicht die einzige Frau ihres Mannes ist. So lebt sie ihr Leben tagein, tagaus. Auch hier: Von der Gesellschaft scheint sie degradiert und übersehen zu sein, nicht aber bei Jesus. So werden die Frauen auch von Katharina behandelt. Sie scherzt mit ihnen, nimmt sich Zeit, Dinge zu erklären und untersucht genau. Jeden Tag lerne ich neu: Jesus ist anders. Er sieht die, die übersehen wurden und kümmert sich um die, um die sich nicht gekümmert wurde. Und weil Jesus in mir ist und bleibt, spornt mich das an, es ihm gleich zu tun. „Gehet hin […]und ich bin bei euch alle Tage.“
Ein Praktikumsbericht von Y.
